Kursthemen

  • Allgemeines

    • Hier wird der Schwerpunkt der Methode der Bildanalyse auf eine phänomenologische Herangehensweise gelegt. 

      1. Dies eignet sich besonders für Schüler*innen, da sie in der Regel mit wenig Vorkenntnissen an eine Bildanalyse herangehen. 
      2. Bei dieser Methode wird das Sehen und Wahrnehmen betont, welches auch außerhalb des Kunstbereiches eine wichtige Funktion besitzt. 
      3. Das Sehen ist innerhalb des Fächerkanons der Schule die Kernkompetenz des Faches Kunst.

      Diese hier vorgestellten Schritte sollten zunächst sehr bewusst voneinander abgegrenzt betrachtet werden, da Schüler*innen ansonsten z.B. gerne direkt mit der Interpretation beginnen und Beschreibung nicht von Analyse unterscheiden können.

      Nicht alle hier aufgeführten Aspekte sind bei jedem Medium sinnvoll, hier wird von gegenständlicher Malerei (Porträt, Landschaft ...) ausgegangen. So lassen sich bildnerische Entscheidungen direkt mit der sichtbaren Realität vergleichen und verdeutlichen.

      Der Begriff "Bild" wird hier als Oberbegriff verwendet, er schließt z.B. Fotografie oder Plastik mit ein.

       

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      Dieser Kurs wird nicht zum Komplett-Download angeboten, da er ständig optimiert und erweitert wird. 

      Die hier enthaltenen Aufgaben können von Schülern als "Gast" angemeldet zwar bearbeitet werden, ihre Ergebnisse werden aber nicht im Sinne einer Notengebung erfasst, es wird keine Versuchsverfolgung gespeichert. Sie können nur ein direktes Feedback erhalten.

       

      Um diesen Kurs in einem anderen Moodle anzubieten kann einfach ein Link genutzt werden:

      https://moodle.mugge-dinn.de/moodle/course/view.php?id=25

      Möchte man zu einem bestimmten Abschnitt direkt verlinken, dann findet sich ein solcher Link über das Kontextmenü mit einem Klick der rechten Maustaste oder durch längeres Fingerhalten auf dem Abschnittstext.

       

  • 1. Der erste Eindruck

    • Auf den ersten Blick hin hat das Auge ein Bild erfasst und das Gehirn eine erste grobe Einordnung vorgenommen.

      Diese Art der Erfassung und Einordnung von Realität basiert auf der Notwendigkeit evtl. mögliche Gefahren schnell einschätzen zu können, ein überlebenswichtiger Prozess.

      Dieses simultane Erfassen einer Situation, eines Bildes unterscheidet sich vom sukzessiven Lesen eines Buches. Der Inhalt des Buches kann nur in einer vorgegebenen Reihenfolge Schritt für Schritt erschlossen werden. Daher scheint ein Bild schneller und leichter verständlich zu sein.

      Für die Bildanalyse ist dieser spontane, oberflächliche und extrem subjektive erste Eindruck vom Bild ein dennoch wichtiger Ausgangspunkt: er enthält eine spontane, direkte, emotionale Wirkung.

      Die Wirkung ist wichtig!

      Diese rein subjektive Wirkung eines Bildes auf den Betrachter wird in den folgenden Schritten der Bildanalyse mit möglichen „Beweisen“ überprüft.

      Empfinde ich etwas, was gar nicht in dem Bild angelegt ist? Ist mein subjektives Empfinden verallgemeinerungsfähig? Wie wurde es gemacht, dass ich dieses

      Empfinden dem Bild gegenüber habe?!


      Der erste Eindruck wird schnell mit Adjektiven erfasst, z.B.:

      Das Bild wirkt auf mich unruhig, kalt, laut, langweilig, beängstigend, unfertig, unpersönlich, lebhaft, bedrohlich, eklig ...

    • Francis Bacon, Self-Portrait 1971 (200 Kb); Oil on canvas, 35.5 x 30.5 cm (14 x 12 in); Musee National d'Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris

      Francis Bacon: Selbstporträt, 1971
      Öl auf Leinwand, 35,5 x 30,5 cm

      https://live.staticflickr.com/2717/4199935085_afff8918dc_b.jpg

  • 2. Daten des Bildes

    • Natürlich ist der Autor, der Titel und das Herstellungsjahr wichtig. Hiervon lassen sich Rückschlüsse auf den historischen Kontext, die biografische Phase, die Einordnung in eine Werkreihe, eine Stilrichtung usw. ableiten.

      Besonders bei der Analyse anhand von Reproduktionen  (z.B. per Beamer oder Buch) fehlen wichtige Informationen, die sich auf die Wirkung des Original-Bildes auswirken können. Nicht nur deshalb sind  zusätzlich folgende Angaben wichtig:

       

      Die Größe

      Ein Bild in Briefmarkengröße entwickelt eine andere Gesamtwirkung als ein Wandbild. Auch der Detailgrad und der Pinselduktus werden anders ausfallen.

       

      Die Herstellungstechnik

      Beim Originalbild erkennt man Erhebungen, matte und glänzende Stellen, die Rauheit/Glattheit der Oberfläche. Jedes Material besitzt eigene  Qualitäten, die sich in der Wirkung des Bildes wiederfinden lassen. Ein Malgrund aus glatt geschliffenem Holz wirkt anders als ein Bild auf ungrundiertem Sackleinen.

       

      Der Ort

      Besonders bei Plastiken auf öffentlichen Flächen ist der spezifische Aufstellungsort ein wichtiger Aspekt. Gemälde werden dagegen z.T. von Museen verkauft, sie sind also meist nicht ortsgebunden - bis auf Wandbilder.

    • Thomas Ruff, Foto: Axel Schneider MMK

      Quelle: https://www.photoscala.de/grafik/2010/TLE-Thomas-Ruff.jpg

       

      Wie wirkt es auf Betrachter*innen, wenn ein Porträtfoto so groß ist?

    • Cy Twombly: Untitled, Rom, 1970
      Öl, Wandfarbe und Kreide auf Leinwand, 345,5 x 404,3 cm

      Quelle: https://img.zeit.de/kultur/kunst/2011-07/fs-cy-twombly-bilder/Twombly_Mind_02_full.jpg/imagegroup/original__760x620__desktop

  • 3. Bildbeschreibung

    • Vor einer Analyse müssen die Bildgegenstände genau erfasst werden, so wie auch die Polizei zunächst den Tatort genau erfasst.

      Die Bildgegenstände (dazu zählen auch Personen) sollten einleitend benannt werden. (Z.B.: „Auf dem Bild sind zwei Personen in einer Berglandschaft zu sehen.“)

      Anschließend müssen die einzelnen Bildgegenstände genauer untersucht und beschrieben werden: Material, Oberfläche, Farbton, Form, Abnutzung ... ("Er trägt einen langen Mantel, der aus braunem Leder besteht und deutliche Abnutzungsspuren aufweist.")

      Als Ortsangaben kann mit oben, links usw. gearbeitet werden, oder auch mit einer bildräumlichen Lage (Vorder-, Mittel-, Hintergrund). 

      Die sachliche Detail-Beschreibung wird zusammengefasst in einer Wirkung des Gegenstandes. (Z.B.: Krug, grobe Bemalung, teilweise abgeschabt, Ecke abgeschlagen = alter, stark benutzter Krug = wirkt ärmlich)

      Erst wenn jedes Detail bewusst gesehen - und sprachlich formuliert - wurde, kann es als Bestandteil des Bildes gewertet werden.

      Hierbei gilt: Auch nicht eindeutig erkennbare Dinge sollten genau beschrieben werden, ohne sie voreilig deuten zu wollen.

      Wichtig: Auch wenn alle im Raum das Bild sehen, ist die Beschreibung des Bildes nötig.

    • Geöffnet: Dienstag, 5. März 2024, 00:00
      Fällig: Dienstag, 12. März 2024, 00:00

      Beschreibe das hier gezeigte Bild möglichst exakt und setze dies dann als Prompt für ein KI-Bild ein.

      Du kannst dafür z.B. folgende KI-Tools nutzen (evtl.musst du dich vorher anmelden):

      Dalle-E: https://labs.openai.com/

      Bing: https://www.bing.com/images/create?FORM=IRPGEN

      Vergleiche beide Bilder. (Theoretisch müsste dann genau dasselbe Bild von der KI erstellt werden.)

    • Giovanni Bellini: Bildnis des Dogen Leonardo Loredan, um 1501-1505
      Tempera auf Holz, 62 x 45 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1d/Giovanni_Bellini%2C_portrait_of_Doge_Leonardo_Loredan_B.jpg

  • 4. Analyse

    • Bei einem Tatort wurden durch die Spurensicherung der Polizei zunächst alle einzelnen Elemente präzise erfasst (Beschreibung). Die Analyse setzt sie nun in Beziehung zueinander und versucht daraus Schlüsse (Wirkungen) abzuleiten.

      Ist die Pistole neben dem Opfer ursächlich für das Einschussloch und die Folge des Ablebens? - Es geht hier noch nicht darum, ob sich das Opfer selbst aus irgendwelchen Gründen erschossen haben könnte, das gehört in die Interpretation.

    • Definition: Bildnerische Mittel

      "Bildnerische Mittel" ist ein Begriff, der in der Kunst und Kunsttheorie verwendet wird, um die verschiedenen Werkzeuge, Techniken und Elemente zu beschreiben, die Künstler verwenden, um visuelle Kunstwerke zu schaffen. Diese Mittel dienen dazu, Formen, Farben, Strukturen und andere visuelle Elemente in Kunstwerken zu gestalten und zu organisieren. Hier sind einige der wichtigsten bildnerischen Mittel:

      1. Linie: Die Linie ist ein grundlegendes bildnerisches Mittel, das Künstler verwenden, um Formen und Konturen zu definieren. Linien können gerade, gebogen, schraffiert, oder unterbrochen sein und verschiedene Stimmungen und Effekte erzeugen.

      2. Farbe: Farben sind entscheidend für die visuelle Wirkung eines Kunstwerks. Künstler verwenden verschiedene Farben und Farbpaletten, um Emotionen und Atmosphären zu vermitteln.

      3. Form: Formen sind die grundlegenden visuellen Elemente, aus denen ein Kunstwerk besteht. Sie können geometrisch oder organisch sein und eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Struktur und Komposition spielen.

      4. Textur: Textur bezieht sich auf die Oberflächenqualität eines Kunstwerks. Künstler können glatte, raue, gestreifte oder andere Texturen verwenden, um visuelle und haptische Interessen zu erzeugen.

      5. Raum: Künstler verwenden verschiedene Techniken, um räumliche Tiefe in ihren Werken zu erzeugen. Perspektive, Überlappung und Größenverhältnisse sind Beispiele dafür.

      6. Licht/Helligkeit: Dies bezieht sich auf die Helligkeit oder Dunkelheit von Farben. Kontrast zwischen hellen und dunklen Bereichen kann die Aufmerksamkeit lenken und Tiefe erzeugen.

      7. Bewegung: Bewegung in der Kunst kann durch die Platzierung von Elementen erzeugt werden, die den Eindruck von Bewegung oder Richtung vermitteln. Dies kann dynamische, fließende oder rhythmische Bewegung sein.

      8. Muster und Wiederholung: Muster und Wiederholung von Formen, Linien oder Farben können wiederkehrende visuelle Strukturen in einem Kunstwerk erzeugen.

      9. Komposition: Die Art und Weise, wie verschiedene bildnerische Mittel in einem Kunstwerk angeordnet sind, wird als Komposition bezeichnet. Eine erfolgreiche Komposition ist entscheidend für die Gesamtwirkung des Kunstwerks.

      10. Material und Technik: Die Wahl der Materialien und die angewandte Technik haben ebenfalls Einfluss auf die Bildgestaltung. Künstler können Farben, Pinselstriche, Collagen, digitale Medien und viele andere Werkzeuge verwenden, um ihre Visionen umzusetzen.

      Die Kombination und geschickte Anwendung dieser bildnerischen Mittel ermöglichen es Künstlern, eine breite Palette visueller Ausdrücke und Botschaften in ihren Kunstwerken zu vermitteln.

      (chat.openai.com)

    • Bildnerische Mittel und ihre Wirkung

      Die Frage lautet: 

      Wie wurde das Bild gestaltet, damit die beobachtete Wirkung entstehen konnte?

      FORM <=> INHALT 

      bzw.

      bildnerisches Mittel <=> Wirkung

       

      Dieser Zusammenhang ist wichtig! 

      Jede Gestaltung wird als Entscheidung des Künstlers gewertet.

      Alles, was weggelassen wurde, zählt hierbei genauso viel, wie die sichtbaren Resultate. Auch wenn beim Herstellungsprozess der Künstler sich nicht bewusst für oder gegen eine Gestaltung entschieden hat, so hat er es doch mit seinen Augen bei der Entstehung beobachtet und hätte eingreifen können. Spätestens jedoch mit der Entscheidung das Bild als fertig zu betrachten und zu veröffentlichen, kann dies als bewusster Vorgang gewertet werden. Es ist damit ein Ergebnis des Gestaltungs- und Entscheidungsprozesses des Künstlers. 

      Jede Betonung und Vernachlässigung kann interpretiert werden. - Aber erst nach einer Analyse dieser Entscheidungen!!!!!!!!!!

  • 4.1 Fläche und Form

    • 4.1 a) Flächenform

      Welche Formen finden sich im Bild? Welche Wirkungen lassen sich hiervon ableiten?

       

      Geometrische Formen

      Geometrische Formen reduzieren die Formvielfalt extrem, das Wiedererkennen eines Gegenstandes wird vernachlässigt zugunsten eines einheitlicheren Gesamtergebnisses. Betont werden Struktur, Gleichmäßigkeit und Rationalität.

       

      Paul Klee: Feuer bei Vollmond, 1933
      Aquarell mit Wachsfarben übergangen, 50 x 60 cm

       https://sammlung-online.museum-folkwang.de/eMP/eMuseumPlus?service=DynamicAsset&sp=SU5mxm4Yx%2FVbhp94nksEmWhUPPCPARCxmRF3wZoiekBYI9dLioBnZzXySIRTomizoxxT9oo9OlonT%0APnyO6EhNhnOgOpQYyGgGmp9f4Yzsn%2FR07DEilhFwnDdjjISgc0K0&sp=Simage%2Fjpeg

       

       

      Amorphe Formen

      Das Gehirn versucht in jeder Form einen Gegenstand zu erkennen, auch wenn er durch die Form gar nicht repräsentiert werden soll. Es lassen sich also solche amorphen Formen im Bild nutzen, die mit dieser Eigenschaft des Gehirns spielen. Auch ohne eine gegenständliche Zuordnung lassen sich von solchen Formen Wirkungen ableiten. 

      Gerhard Richter: Abstraktes Bild, 1980
      Öl auf Holz, 40,1 x 60 cm

      https://kettererkunst.de/still/kunst/max/401/112003022.jpg

       

       

      Realitätsgetreue Formen 

      Eine realitätsgetreue Darstellung nutzt die Form der dargestellten Gegenstände. Sie besitzen unabhängig von ihrer Verwendung Eigenschaften, von denen man Wirkungen ableiten kann.

       

      Rudolf Dischinger: Elektro-Kocher, 1931
      Bleistift, 57 x 68,5 cm

      https://www.pinterest.de/pin/12103492736276938/

    • 4.1 b) Lineare oder malerische Sichtweise

       

      Die lineare Sichtweise geht von der Form der Gegenstände aus. Die Konturen und die Plastizität werden durch diese Art der Malerei besonders betont dargestellt. Die Beschaffenheit der Dinge ist wichtig. Das Bild ist die Summe der einzelnen Gegenstände.

      Hans Holbein d.J.: Porträt des Kaufmanns Georg Gisze, 1532
      Öl auf Holz, 96 x 86 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/15/Holbein%2C_Hans_-_Georg_Gisze%2C_a_German_merchant_in_London.jpg

       

       

      Die malerische Sichtweise versucht dagegen die Gesamtheit einer Situation darzustellen. Details von Gegenständen stören eher, es ist vergleichbar mit einem Blick bei fast zugekniffenen Augen. Die Farbe und der Farbauftrag gewinnen hierbei an Freiraum, sie lösen sich vom Zwang einen Gegenstand perfekt darstellen zu müssen: fleckenhafter Auftrag, Pinselduktus, Lichtstimmungen …

      Oskar Kokoschka: Selbstporträt, Fiesole, 1948
      Öl auf Leinwand, 65,1 x 54,9 cm

      https://pin.it/2WaszFk

    • 4.1 c) Proportion

       

      Proportionen, also Verhältnisse von Teilen zum Ganzen, werden oft anhand von kulturellen oder modischen Vorstellungen bewertet.

       

      Natürliche Proportion

      Ein aus der Realität abgeleitete Proportion, die als nicht besonders auffällig erscheint, würde als eine natürliche Proportion angesehen werden.

       

      Ideale Proportion

      Bereits in der Antike hat man versucht eine besonders harmonische Proportion des menschlichen Körpers zu definieren. Der römische Architekt Vitruv hat das Schema entwickelt, wonach der Körper in 8 Kopflängen geteilt werden kann. Dieses Schema ist aber nur bei wenigen „echten“ Menschen  nachweisbar, es stellt also eben ein Ideal an Harmonie dar. Ideale sind eben nicht real. In der Renaissance suchte man nach einem göttlichen Harmonie-Prinzip.

      Leonardo da Vinci: Das Schema der Proportionen des menschlichen Körpers, 1485-90
      Feder, Tinte und Aquarell über Metallstift, 34,4 x 24,5 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/thumb/5/54/Square_Circle_Leonardo.jpg/433px-Square_Circle_Leonardo.jpg?20060517145555

       

       

      Verzerrte Proportion 

      Eine Verzerrung von Proportionen bewirkt emotionale Reaktionen. Dies wird z.B. in expressiven Bildern genutzt.

      Ernst Ludwig Kirchner: Potsdamer Platz, 1914
      Öl auf Leinwand, 200 x 150 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/Ernst_Ludwig_Kirchner_-_Potsdamer_Platz.jpg

       

      Die Höhe des Kopfes entspricht normalerweise ungefähr der Hälfte der Schulterbreite. Wenn man die Verzerrung der Frau aus Kirchners Bild entfernt, indem man sie auf diesen Wert hin in die Breite zieht, wird die Verzerrung im Bild „Potsdamer Platz“ insgesamt deutlich.

      Wenn die natürlichen Proportionen einer menschlichen Figur zugrunde gelegt werden, müsste das gesamt Bild für eine Entzerrung entsprechend in die Breite gezogen werden, was die Wirkung des Bildes extrem verändern würde.

       

    • 4.1 d) Stofflichkeit

      Ist erkennbar, aus welchem Material der dargestellte Gegenstand besteht? 

      Stofflichkeit liegt vor, wenn durch unterschiedliche Malweise verschiedene Materialien und deren spezifische Oberflächenbeschaffenheit im Bild erkennbar werden.

      Nicht gemeint ist hier der "Stoff" im Sinne von Kleidung. Stattdessen wird gefragt, ob z.B. der erkennbare Tisch aus Holz, die Vase aus Porzellan oder das Brot als Brot erkennbar sind.

       

      Die grüne Fläche in Matisse Bild ist vermutlich Rasen. Man erkennt ihn aber nur an dem Farbton, der aber auch nicht differenziert wird, und an der Position unterhalb der Füße der Personen. Einzelne Grashalme sind z.B. nicht dargestellt. Die Stofflichkeit ist hier sehr gering ausgeprägt.

      Henri Matisse: Der Tanz, 1909-1910
      Öl auf Leinwand, 259 x 391 cm

      https://arthive.net/res/media/img/oy1000/work/8fe/449398.jpg

       

       

      In Noldes Bild werden "falsche Farbtöne" (z.B. für die Haut) und Farbtöne ohne gegenständlichen Bezug (Hintergrund) eingesetzt. Man weiß, welcher Gegenstand es ist - z.B. Haut oder Kleidung -, dies ergibt sich aber aus der Form und nicht aus der Farbgestaltung.

      Emil Nolde: Im Badetrikot, 1930
      Aquarell, 48,2 x 33,5 cm

      https://arthive.net/res/media/img/oy1000/work/8fe/449398.jpg

       

       

      Bei Pearlstein werden z.B. Kleidung und Haare in ihrer Materialbeschaffenheit (Falten, Strähnen, Glanz, Stumpfheit) dargestellt. Man erkennt sehr gut, um welche Materialien es sich handelt. Hier ist der Grad an Stofflichkeit sehr hoch.

      Philip Pearlstein: Mr and Mrs Edmund Pillsbury, 1973
      Öl auf Leinwand, 121.9 x 152.4 cm

      https://fr.wahooart.com/Art.nsf/O/A25E6J/$File/Philip_Pearlstein-Edmund_pillsbury.JPG

       

  • 4.2 Helligkeit / Licht

    • 4.2 a) Helldunkel-Kontrast

      „Wo Licht ist, da ist auch Schatten.“

      Unser Auge kann eine sehr große Spanne zwischen tiefster Dunkelheit und grellstem Licht erfassen. In der Malerei ist diese Spanne allerdings deutlich enger gefasst: Das Weiß des Malgrunds oder das aus der Tube stellt den Maximalwert von Licht im Bild dar - mehr geht nicht. Und auch das Schwarz wird durch das auffallende Licht heller erscheinen, als man es sich als Maler vielleicht wünscht.

      Neben der Spanne zwischen den Extremwerten im Bild ist aber auch die Abstufung der Zwischentöne wichtig. 

      Ein starker Helldunkel-Kontrast schafft Dynamik und Spannung im Bild, das Auge ist sehr beschäftigt.

       

      Chiaroscuro

      In der Malerei des Barock wird der starke Helldunkel-Kontrast oder das Chiaroscuro gerne genutzt, z.B. bei Caravaggio und Rembrandt. Es gibt hier nur sehr wenige Zwischentöne.

      Michelangelo da Caravaggio: Die Berufung des hl. Matthäus, 1599/1600
      Öl auf Leinwand, 322 x 340 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/10/Caravaggio_-_La_vocazione_di_San_Matteo.jpg/641px-Caravaggio_-_La_vocazione_di_San_Matteo.jpg

       

       

      Sfumato

      Eine weichere Lichtsituation mit einem nebeligen Eindruck findet sich dagegen z.B. bei da Vinci. 

      Leonardo da Vinci: Mona Lisa, 1504
      Öl auf Leinwand, 76,8 x 53,5 cm
      Paris, Louvre

      1024px-Mona_Lisa,_by_Leonardo_da_Vinci,_from_C2RMF_retouched.jpg

       

       

      Gradationskurve (Gamma)

      In der digitalen Bildbearbeitung findet sich der Begriff der Gradations- oder Gammakurve. Sie gibt den Verlauf der Mitteltöne zwischen Weiß und Schwarz im Bild an. Je steiler die Kurve, desto kontrastreicher das Bild.

       

       

       

         

      Man erkennt hier, dass im Bild von Caravaggio (linkes Diagramm) sehr viele dunkle Bildanteile vorhanden sind (links im Diagramm als hoher Berg), bei Bruegel (rechtes Diagramm) dagegen sind viel mehr Bildanteile mittlerer Helligkeit vorhanden.

       

    • 4.2 b) Quantität des Lichts

       

      Art der Lichtquelle

      Die parallelen Strahlen des Sonnenlichts führen zu den typischen Schlagschatten. Eine Kerze verstrahlt ein ganz anderes Licht, das deutlich weniger Intensität/Helligkeit besitzt und auch zu anderen Schatten führt. Kunstlicht besitzt ebenfalls seine eigene Lichtart. So unterscheidet sich das Licht einer Taschenlampe oder eines Scheinwerfers von dem einer Leuchtstoffröhre.

       

      Intensität des Lichts

      Natürlich ist auch die "Menge" an Licht wichtig: Ist alles extrem hell beleuchtet oder versinkt es im schummrigen Licht? Man spricht ja auch von "ans Licht gezerrt" oder "es bleibt im Dunklen".

       

      Eigenlicht ("göttliches Licht")

      In religiösen Bilder kann auch ein "Licht" z.B. von einer heiligen Figur (Christus) ausgehen, was natürlich nicht realistisch gemeint ist.

       

       

    • 4.2 c) Qualität des Lichts

       

      Streuungsgrad des Lichts

      Bei Sonnenschein wirft das Licht klar begrenzte Schlagschatten und es entstehen sehr hohe Kontraste. Es lässt sich daran z.B. die Tageszeit erkennen und auch eine Richtung des Lichteinfalls.

      Bei Tageslicht und einem bedeckten Himmel ergibt sich ein neutrales, gestreutes Licht, das an allen Wasser- und Staubteilchen in den Wolken reflektiert wird. Die Schatten sind dementsprechend dann sehr weich und verlieren sich schnell. Der Kontrast ist reduziert, es lassen sich so alle Gegenstände differenziert und gleichwertig beleuchtet wahrnehmen.

       

      Farbtemperatur des Lichts

      Das Licht hat eine Farbe. Die Summe der Spektralfarben ergibt das weiße Licht. Allerdings wird das Sonnenlicht immer gestreut, da es durch die Luft und darin schwebende Staubteilchen bzw. Wassertropfen gebrochen wird. Besonders bei tief stehender Sonne bemerkt man dann eine warme Farbigkeit. Je nach Tages- oder Jahreszeit ändert sich das Licht.

      Claude Monet hat dies z.B. in seinen Bildern der Heuschober oder der Kathedrale von Rouen untersucht:

       

      https://de.wikipedia.org/wiki/Les_Meules

      https://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_von_Rouen_(Monet)

       

       

    • 4.2 d) Der Schatten

       

      Körperschatten

      Jeder Körper besitzt auf seiner von der Lichtquelle abgewandten Seite einen Körperschatten, eine dunklere Seite. Der Körperschatten "klebt" am Körper.

      Schlagschatten

      Wenn das Licht nicht durch einen Gegenstand hindurchfallen kann, dann wirft der Gegenstand einen Schatten z.B. auf die Tischfläche. Der Schatten "schlägt" sich dort nieder. Durch Reflektion des Lichts von anderen Gegenständen in seiner Umgebung (z.B. Wände) wird dieser Schlagschatten aufgehellt, je weiter er sich von "seinem" Gegenstand entfernt.

      Kernschatten

      In der Nähe "seines" Gegenstands ist der Schatten am intensivsten, dort befindet sich der sogenannte "Kernschatten". Da sich in der Regel eine zumidest winzige Lücke zwischen z.B. Würfel und Tisch ergibt, z.b. aufgrund einer abgerundeten Kante des Würfels, lässt sich dort die dunkelste Zone des Kernschattens finden, oft als dunklere Linie.

       

      Konstruktion des Schlagschattens:

       

       

       

      https://de.wikipedia.org/wiki/Schattenkonstruktion

       

       

       

  • 4.3 Farbe

    • Das Sehen von Farbtönen ist nicht bei jedem Menschen gleich ausgeprägt.

      Teste hier deine Sehfähigkeit, damit du dich nicht über Aussagen anderer zur Wahrnehmung von Farbwirkungen wunderst. 

      Ishihara

      https://www.de.colorlitelens.com/ishihara-farbenblindheit-test.html

       

       

      4.3 a) Farbe und Licht

       

      Additive Farbmischung

      Die additive Farbmischung findet sich z.B. bei einem Einsatz von mehreren farbigen Lichtquellen. Addition bedeutet hier, dass zwei Lichtquellen nicht nur mehr Licht als eine einzige geben, sondern es findet auch im Überlappungsbereich der farbigen Lichter eine Farbmischung statt. Diese unterscheidet sich komplett von der in der Malerei bekannten.

      Im Zentrum überlappen sich alle drei Farbscheinwerfer und summieren sich zum Weiß.

       

       

      Subtraktive Farbmischung

      Das weiße Blatt Papier wird durch einen Farbauftrag an dieser Stelle dunkler, es reflektiert nicht mehr das ganze Licht bzw. Spektrum. 

      Je mehr Farbtöne sich überdecken, desto geringer wird der Anteil des reflektierten Lichts des Papiers.

      Dies ist typisch bei Malerei mit Farbmaterialien auf Papier oder Leinwand.

       

       

      Optische Farbmischung

      In der Kunstrichtung des Pointilismus versuchte man die Kenntnisse der Zerlegung von weißem Licht in seine einzelnen Spektralfarbtöne umzukehren. Man setzte die einzelnen Farbtöne als Punkte nebeneinander, sodass sie sich im Auge bei größerem Abstand vermischen. Dies wird z.B. heute auch bei gerasterten Fotos (Druck, Bildschirm, TV) genutzt. 

       

      https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Prism-rainbow.svg?uselang=de

       

      Paul Signac: Paris, Ile de la Cité, 1913
      Öl auf Leinwand, 81 x 101 cm

      https://www.kunstkopie.de/kunst/paul_signac/1007136.jpg

    • 4.3 b) Farbe als Pigment

      Das Pigment enthält den Farbton. In der Natur finden sich Farbpigmente z.B. in der Erde bestimmter Gegenden. Die typischen Deckfarben in den Farbkästen enthalten oft die Farbtöne "Siena", Gebr. Siena" oder "Ocker". Siena ist eine Stadt in der Toskana (Italien), von dort stammt der gleichnamige Farbton. Vom Ton kennt man es, dass er sich farblich durch das starke Erhitzen im Brennofen rötlich verfärbt. So kann auch "Siena" in "gebranntes Siena" gewandelt werden.

      Hier ist Erde aus Roussilon zu sehen, einem kleinen Ort in der Provence (Frankreich), der für seinen Ocker bekannt ist. Sie ist unbehandelt und nicht gesäubert einfach mit etwas Wasser vermalt worden. 

      Viele Pigmente werden heute chemisch erzeugt, wodurch sich die Farbtonvielfalt erheblich erweitert hat. Berühmt ist z.B. das "Yves Klein Blau", das von Yves Klein "erfunden" und in seinen Werken verwendet wurde, das IKB (International Klein Blue).

      Yves Klein: Relief éponge / Schwammrelief, RE 15 blau, 1960
      Schwämme und Farbpigment auf Sperrholz, 107 x 60 cm

      https://www.kunstsammlung.de/de/collection/artists/yves-klein

       

      Es gibt also nicht nur "Blau" als Farbton, es gibt viele verschiedene Blau-Töne:

      • Byzantinischblau
      • Indigoblau
      • Indigo
      • Delftblau
      • Ultramarinblau dunkel
      • Ultramarinblau hell
      • Kobaltblau dunkel
      • Kobaltblau hell
      • Saphirblau
      • Lasur-Orientblau
      • Preußischblau
      • Königsblau hell
      • Königsblau dunkel
      • Kobalt-Coelinblau
      • Lasur-Cyan
      • Mangan-Coelinblau

      In dem Ausschnitt einer Farbkarte eines Herstellers von Öl-Farben werden die tatsächlichen Unterschiede der Blau-Töne nur annähernd deutlich.

      Das Ultramarinblau und das Preußischblau findet sich oft in den älteren Schulfarbkästen, in aktuellen findet sich neben dem Ultramarinblau das Cyanblau.

       

       

      Fügt man dem Pigment-Pulver ein Bindemittel bei, wird daraus dann Öl-Farbe, Acryl-Farbe, Aquarell-Farbe, Pastell-Stift, Farb-Stift ...

       

    • 4.3 c) Ordnung der Farbtöne

       

      Der Farbkreis

      Die sogenannten Primärfarbtöne (Grundfarben) Gelb, Rot, Blau lassen sich nicht durch Mischung anderer Farbtöne erzeugen. Mischt man zwei dieser Grundfarbtöne, dann ergibt sich daraus ein neuer Farbton, ein sogenannter Sekundärfarbton. Je nach Anteil der beiden Grundfarbtöne kann sich z.B. aus der Mischung von Gelb und Blau dann ein Gelbgrün, Grün oder Blaugrün ergeben. Natürlich lassen sich nahezu unendlich viele Mischtöne erzeugen, die Sprache hat dafür nicht genügend Bezeichnungen.

      Der klassische Farbkreis ordnet diese Primär- und Sekundärfarbtöne auf einem Kreis an.

      Die sich im Farbkreis gegenüberliegenden Farbtöne werden als Komplementärfarbtöne bezeichnet. 

      In diesem Farbkreis:

      Rot <-> Grün, Gelb <-> Violett, Blau <-> Orange

      Rotviolett <-> Gelbgrün, Blauviolett <-> Gelborange, Blaugrün <-> Rotorange

      Für jeden Sekundärfarbton auf dem Kreisbogen findet sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Komplementärfarbton.

      Komplementär (mit einem "e") sind sie, weil sie zusammen gemischt (theoretisch) Schwarz ergeben. Sie ergänzen sich zum Schwarz, sie sind dann komplett.

      Das Schwarz ergibt sich in der Praxis nur mit sehr viel Aufwand beim Mischen und auch nicht wirklich als reines Schwarz. Es entstehen eher Brauntöne, also Tertiärfarbtöne. Man kennt das Problem vom Farbdrucker, der mit den Grundfarben allein kein sattes Schwarz für den Textdruck erzeugen kann und dafür die zusätzliche schwarze Tinte nutzt.

      Dieses Farbmodell mit den Primärfarbtönen Gelb, Rot, Blau wurde durch ein ähnliches ersetzt, dass sich von den Druckfarbtönen herleitet. Hierbei werden die Primärfarbtöne Gelb (Yellow), Rotviolett (Magenta) und Blaugrün (Cyan) zugrunde gelegt. Dies kennt man ebenfalls vom Farbdrucker, der die Farbtinten Cyan, Magenta,Yellow nutzt, ergänzt durch BlacK (Schwarz): CMYK.

       

       

       

      Mit dem digitalen Farbkasten (Pelikan) lässt sich das Mischen von Farbtönen schnell selbst ausprobieren:

      https://archive.pelikan.com/pulse/Pulsar/de_DE.CMS.displayCMS.210018./online-farbkasten-farben-online-mischen

       

       

       

      Merkmale eines Farbtons

      Ein Farbton in einem Gemälde lässt sich anhand von drei Aspekten beschreiben:

      Der Farbton

      Rot wird als bunter, ein Braunton als schwachbunter und Schwarz als unbunter Farbton bezeichnet.

      Die Helligkeit

      Jeder Farbton bestzt seine eigene Helligkeit. Gelb ist heller als Blau. Durch Aufhellung mit Weiß könnte Blau aber heller als Gelb erscheinen.

      Die Sättigung

      Wird eine reine Farbe (z.B. Gelb) mit eine anderen Farbe, insbesondere eine Komplementärfarbe, gemischt, verliert sie ihre Reinheit/Sättigung und wirkt z.B. als Braunton getrübt. Dies kann auch durch Beimischung von Schwarz erreicht werden.

       

    • 4.3 d) Farbkontraste

       

      Der Farbe-an-sich- Kontrast

      Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Farbtöne wirkt sich als ein Kontrast aus, was besonders bei reinen Farbtönen ein Leuchten des Bildes bewirkt. Dieses bunte Nebeneinander unterscheidet sich von einer tonigen Malweise, bei der genau dieser Kontrast vermieden werden soll. 

      Bunt > Der Farbton steht unvermischt neben anderen. Beispiel: "Buntstifte". Betrachtet man sie in der geöffneten Packung, dann liegen sie dort "bunt" nebeneinander. 

      Farbig > Der "Buntstift" kann das Bild farbig gestalten, wenn er mit mit anderen Farbtönen im Bild z.B. vermischt wird oder einen farbigen Zusammenhang herstellt.

       

      Hell-Dunkel-Kontrast

      Jeder Farbton besitzt eine eigene Helligkeit, Gelb ist z.B. heller als Blau. Ein Hell-Dunkel-Kontrast lässt sich aber auch durch Beimischung von Weiß bzw. Schwarz erreichen.

      Man untersucht die hellste und dunkelste Bildstelle um daraus dann den im Gesamtbild vorhandenen Hell-Dunkel-Kontrast zu ermitteln.

      Dieser Aspekt überschneidet sich mit der Helligkeit bzw. dem Licht im Bild:

      https://moodle.mugge-dinn.de/moodle/course/view.php?id=25#module-210

      Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald, 1809/10
      Öl auf Leinwand, 110 x 171 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/32/Caspar_David_Friedrich_-_Abtei_im_Eichwald_-_Google_Art_Project.jpg

       

      Kalt-Warm-Kontrast

      Vom Wasserhahn her kennen wir die Zuordnung von Blau für kaltes und Rot für heißes Wasser. Der im weitesten Sinn rote Bereich des Farbkreises stellt somit dann auch die warmen Farbtöne bereit, Blau dann die kalten. 

      Es kann aber auch ein wärmeres Blau in einem ansonsten mit kälteren Blautönen erstelltes Bild einen gemäßigten Kalt-Warm-Kontrast herstellen.

       

      Komplementär-Kontrast

      Der Komplementärkontrast ist der intensivste Farbkontrast. Der Sehnerv der Augen ist extrem gereizt. Er wirkt somit sehr leuchtend, aktiv, aggressiv, dynamisch ...

      In einem Bild reicht schon eine kleine komplementärfarbige Fläche aus um das ganze Bild zum Leuchten zu bringen.

      Das im Original rote Kleid im Bild von Hopper bildet den Komplementärkontrast zu dem grünen Boden.

      Edward Hopper: Hotel Lobby, 1943
      Ölfarbe aufLeinwand, 81.9 × 103.5 cm

      https://www.ebay.de/itm/193496710129 (Animation von Mugge-Dinn)

       

      Simultan-Kontrast

      In einem Bild befinden sich Farbtöne nebeneinander auf der Bildfläche und beeinflussen sich so in ihrer Wirkung. Ein Blau aus der Tube kann für sich als kalter Farbton wirken, in einem Bild mit ansonsten deutlich kälteren Blautönen aber warm erscheinen.

      In diesem Beispiel wirkt dasselbe Grün im Kontext der unterschiedlichen Hintergründe deutlich anders.

      Interessant ist auch der "Halo"-Effekt, der einen schwarzen Rahmen um die grünen Formen vor dem roten Hintergrund zeigt, der aber nur vom Auge erzeugt wird und nicht vorhanden ist.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Simultankontrast

       

      Qualitäts-Kontrast

      Hier wird untersucht, in welcher "Qualität" die Farbtöne im Bild vorhanden sind. Als Vollton vermalt entwickelt ein Farbton seine maximale Leuchtkraft, er springt fast aus dem Bild heraus. Hellt man ihn aber mit Weiß auf oder dunkelt ihn mit Schwarz ab, dann verliert er diese Qualität und tritt auch im Bildraum zurück.

       

      Quantitäts-Kontrast

      Die unterschiedlichen Farbtöne besitzen eine unterschiedliche Präsenz im Bild. Ein Blau benötigt viel Bildfläche um sich genauso bemerkbar zu machen, wie ein Orange. Dies ist eine auf Johannes Itten basierende Theorie, die sich schwierig im Bild belegen lässt. Da "Quantität" aber auch alltagssprachlich aufgefasst werden kann, untersucht man einfach die Mengenverhältnisse der Farbtöne im Bild und leitet daraus eine Wirkung ab.

      George Grosz: Metropolis, 1916/1917
      Öl auf Leinwand, 100 x 102 cm

      https://www.museothyssen.org/sites/default/files/imagen/obras/1978.23_metropolis.jpg

       

    • 4.3 e) Wirkungen der Farbtöne

       

      Psychologische Aspekte der Farbtöne

      Menschen haben Alltagserfahrungen und leiten daraus Wirkungen bestiummter Farbtöne ab. Ein roter Farbton wird so mit Feuer, Hitze, Gefahr verbunden. Auch der Anblick von Blut löst diese Empfindungen aus. Das rote Liebesherz passt insofern nicht in diese Erfahrungen, es hat einen symbolischen Wert.

      Blau wird mit dem lebensnotwendigen Wasser verbunden, es wirkt auf uns erfrischend und beruhigend, das Leben ist gesichert.

      Grün verbinden wir mit Pflanzen, die Nahrung und Schatten spenden können und so auch entspannend wirken kann.

      Jeder Lebensraum auf der Erde besitzt seine eigenen Bedingungen und prägt somit auch das Farbbempfinden ser dort lebenden Personen. Am Nordpol kann Rot insofern auch als Wärme und Schutz vor Erfrieren empfunden werden, also als Rettung und Sicherheit.

      Wir können eine reine psychologische Farbwirkung immer nur begrenzt von den uns bekannten Lebensraumerfahrungen ableiten.

       

      Farbperspektive

      In der Regel empfinden wir warme Farbtöne als im Bild nach vorne tretend, da kalte uns aus der Fernsicht z.B. von Bergen bekannt sind, die wir als in die Tiefe gehend wahrnehmen.

       

      Harmonie der Farben

      Im Farbkreis lassen sich harmonisch wirkende Farbtöne als "Nachbarn" finden oder als Komplementärfabe. Besser als Regeln für Harmonie aufzustellen ist es, Farbzusammenstellungen praktisch zu erproben, da man so auch auf regelbrechende Lösungen kommt, die vielleicht sehr gut und spannend aussehen.

      Mit dem Color Wheel von Adobe lassen sich einfach harmonische Farbzusammenstellungen finden: https://color.adobe.com/de/create/color-wheel

    • 4.3 f) Funktionen der Farbe in der Malerei

       

      Symbolfarbe

      Religiöse Malerei enthält häufig, eher immer, eine symbolische Verwendung von Farbtönen. Da sich dies je nach Religion und Zeit auch schon mal ändert, gibt es keine allgemein gültigen Aussagen. 

      "Zu Farben im Christentum fallen einem vermutlich zunächst die Farben der Liturgie ein, da einem diese in Gottesdiensten immer wieder begegnen. Als liturgische Farben werden die Farben der Gewänder und Paramente bezeichnet, die zu bestimmten christlichen Festen benutzt werden. „Sie sollen eine Sinneswirkung auf Stimmung und Bewusstsein des Menschen ausüben“[21] und dienen dazu, „den Charakter der verschiedenen Zeiten und Feste zu verdeutlichen.“[22]

      Bis zum 12. Jahrhundert wurden die Farben nicht nach deren Symbolgehalt, sondern nach deren Kostbarkeit gewählt. Und auch später gab es nicht immer eine einheitliche Farbsymbolik, so war im germanischen Raum eher Rot als Weiß die Festfarbe.[23]

      Die römisch-katholische Kirche kennt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) fünf liturgische Farben: Weiß als Farbe der Reinheit, Rot als Farbe des Blutes sowie des Feuers und Sinnbild des Heiligen Geistes, Violett als Farbe der Buße, Grün als Farbe des Wachstums und der Hoffnung und Schwarz als Farbe der Trauer.[24] Es gibt aber Abwandlungen dieser Farben wie z.B. Gold, Silber, Rosa oder Blau, die regional getragen werden.[25]

      Die evangelische Kirche hat sich nach den Reformen im 19. Jahrhundert darauf verständigt, die liturgischen Farben weiterzuverwenden, mit Ausnahme von Rosa und Blau, die als liturgische Nebenfarbe gelten. Man beschränkt sich aus praktischen Gründen meist auf Rot für die Feste,

      Grün für den Alltag und Schwarz für die Trauer.[26]

      „Mit dem Wechsel der Farben in der Ordnung des liturgischen Farbenkanons (violett, weiß, grün und rot) tritt der Gang des Kirchenjahres als zeitgebendes Element im sakralen Raum optisch in Erscheinung“.[27]"

      https://www.grin.com/document/112418?lang=de

      Die Seltenheit einer Farbe, die vor Erfindung chemisch hergestellter Fabtöne ausschließlich aus dem Vorkommen in der Natur gewonnen wurden, ist oft gleichbedeutend mit ihrer Kostbarkeit.

      "Im engeren Sinne bezeichnet man mit Purpur oder Purpurrot einen sehr gesättigten rotvioletten oder violettroten Farbton von „prächtiger“ Wirkung, der lange vor der Antike, schon um 1600 v. Chr. aus dem sehr kostbaren purpurnen Farbstoff der Purpurschnecke gewonnen wurde.[2] Der kaiserliche Purpur im antiken Rom und in Byzanz wurde innerhalb der römisch-katholischen Kirche tradiert, man spricht bis heute von Kardinälen als „Purpurträger“. Ab der frühen Neuzeit wurde dieser Naturfarbstoff zunehmend durch billigere, farblich ähnliche Farbstoffe ersetzt."

      https://de.wikipedia.org/wiki/Purpur_(Farbe)

       

      Lokalfarbe / Gegenstandsfarbe 

      Mit der Gegenstands- oder Lokalfarbe ist der Farbton gemeint, den das Objekt selbst besitzt. 

      Wenn ich eine Wand mit grüner Farbe bemale, dann ist die Wand grün, sie besitzt dann die Gegenstandsfarbe Grün.

      Beispiele: Der Apfel ist rot. Das Gras ist grün. Die Hose ist blau.

      Ein mit Gegenstandsfarbe erstelltes Bild verweist damit auf die faktische Sicht der Objekte. Die Objekte werden für sich, also als jeweils einzelnes, betrachtet und ergeben in ihrer Addition im Bild erst einen Zusammenhang im Sinne der Komposition.

      Albrecht Dürer: Der Flügel einer Blauracke, etwa 1500
      Aquarell und Deckfarben, weiß gehöht, auf sehr feinem, geglättetem und poliertem Pergament, 19,6 x 20 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d8/Albrecht_Dürer_-_Der_Flügel_einer_Blauracke_%28ca._1500%29.jpg/619px-Albrecht_Dürer_-_Der_Flügel_einer_Blauracke_%28ca._1500%29.jpg

       

       

      Erscheinungsfarbe

      Die Erscheinungsfarbe greift die Auswirkungen der Umgebung auf die Farbigkeit eines Objekts auf. Das Licht besitzt unterschiedliche Farbigkeit je nachdem, ob es sich um Kunstlicht, eine Morgendämmerung, Sommerhitze ... handelt. Es fällt besonders bei der untergehenden und dann nahezu rot strahlenden Sonne auf, die alles in dieses farbige Licht setzt. Die Gegenstandsfarbe eines Objekts wird dann von der aktuellen Lichtsituation überlagert, der Gegenstand erscheint in einem anderen Farbton.

      Besonders im Impressionismus und hier besonders bei Monet wird der Erscheinungsfarbe ein sehr hoher Stellenwert im Bild zugeschrieben. Die momentane Lichtsituation wird vorrangig ins Bild gesetzt, die Gegenstandsformen und deren Gegenstandsfarbe dagegen stark vernachlässigt.

      Claude Monet: Auenlandschaft bei Giverny, 1888
      Öl auf Landschaft, 73,7 x 92,7 cm

      https://uploads1.wikiart.org/images/claude-monet/meadow-at-giverny.jpg!Large.jpg

       

       

      Ausdrucksfarbe 

      Mit der Ausdrucksfarbe wird eine in der Realität optisch nicht sichtbare Farbigkeit ins Bild gesetzt. Eine stark subjektiv motivierte Sicht des Malers wird mit einer Übertreibung oder einem unnatürlichen Farbton umgesetzt. Hier wird z.B. die rote Färbung des Kopfes übertrieben, die sogar auf die Wand im Hintergrund strahlt.

      Edvard Munch: Selbstbildnis am Fenster, um 1940
      Öl auf Leinwand, 84 x 107,5 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/Munch_-_Self-Portrait_by_the_Window%2C_ca._1940%2C_MM.M.00446.jpg

       

       

      Absolute / konkrete Farbe

      Wenn die Farbe des Bildes keine abbildende Funktion enthält, spricht man von absoluter oder konkreter Farbe. Sie stellt nicht das Blau des Himmels dar und soll auch nicht „Hoffnung“ symbolisieren. Sie ist nur sie selbst.

      Barnett Newman: Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau IV (Who´s Afraid of Red, Yellow and Blue IV), 1969/70
      Acryl auf Leinwand, 274,3 x 604,5 cm

      https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/55/Who%27s_Afraid_of_Red%2C_Yellow%2C_and_Blue_IV.svg/800px-Who%27s_Afraid_of_Red%2C_Yellow%2C_and_Blue_IV.svg.png

       

       

      Tonige Malerei / Valeurmalerei / Tonmalerei

      Damit alle aufgetragenen Farbtöne im Bildzusammenhang eine harmonische Wirkung erzeugen, wurde der Bildträger z.B. die Leinwand mit einem bräunlichen Ton vollflächig grundiert, statt dies mit einem Weiß auszuführen. Besonders bei einer lasierenden Malweise schimmert der Braunton dann durch den leicht transparenten Farbauftrag durch und findet sich so in allen Farbtönen des Bildes wieder.

      Es kann aber auch über einer weiß grundierten Leinwand so gemalt werden, dass jedem Farbton ein gemeinsamer Farbton beigemischt wird.

      Peder Severin Krøyer: Sommerabend am Strand von Skagen (Der Maler und seine Frau), 1899
      Öl auf Leinwand, 135 x 187 cm

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:P_S_Krøyer_1899_-_Sommeraften_ved_Skagens_strand._Kunstneren_og_hans_hustru.jpg

       

       

      Kolorismus

      Bei diesem Farbkonzept wird die Farbe und ihr malerischer Auftrag betont, die Formdetails werden vernachlässigt. 

      August Macke: Frau in grüner Jacke, 1913
      Ölfarbe auf Leinwand, 44,5 x 43,5 cm

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:А_Маке_Дама_в_зеленом_жакете.jpg

       

  • 4.4 Farbauftrag

    • Es gibt sehr viele verschiedene Arten Farbe auf dem Bildträger zu verteilen. Der Pinsel ist nur ein Werkzeug von vielen anderen (Airbrush, Spachtel, Dripping …).

      https://de.wikipedia.org/wiki/Farbauftrag

    • 4.4 a) Pastoser Farbauftrag

      Wenn die Farbmasse auf dem Bildträger nicht dünn ausgestrichen wird, sondern eine dickere Schicht frischer Farbe vorhanden ist, dann wird sich die Spur des Pinsels durch die Farbmasse abzeichnen. Es entsteht eine ungleichmäßige Oberfläche, die den Prozess des Malens aufzeigt. Man kann die Bewegungen des Pinsels und damit auch die des Malers erkennen, die jeweilige Dynamik wird sichtbar.

      Vincent van Gogh, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>;, via Wikimedia Commons

    • 4.4 b) Flecken, Punkte, Striche

      Wird die Farbe ungleichmäßig aufgetragen, entsteht ebenfalls Dynamik. Ein vorheriges Mischen auf der Palette erzeugt anschließend eher gleichmäßige Farbflächen, erst das Mischen direkt auf der Bildfläche schafft Unregelmäßigkeiten. Dies ist für das Auge interessanter, da es viele Informationen aufnehmen muss.

      Vincent van Gogh - Der Sämann, 1888, Öl auf Leinwand. © Collection Kröller-Müller Museum, Otterlo, Niederlande

      https://www.albertina.at/ausstellungen/seurat-signac-van-gogh/

    • 4.4 c) Dynamischer Pinselstrich

      Der Pinselduktus, also die sichtbare Spur des Pinsels, verweist auf den Prozess des Malens zurück. Die hierbei angewendete Kraft, Richtung, Breite, Länge ... drückt sich direkt aus und wird vom Betrachter erlebt. Die jeweilige Dynamik wird empfunden.

      (Schülerarbeit)

  • 4.5 Raumdarstellung

    • Hier wird nicht ein bestimmter Raum in einer Wohnung analysiert, sondern es wird gefragt, wie die zweidimensionale Fläche des Bildes gestaltet wurde, damit ein dreidimensionaler Eindruck erzielt wurde. Auch eine Linie kann in einem abstrakten Bild "hinter" einer Fläche verschwinden.

    • 4.5 a) Raumschaffende Mittel

       

      Reihung

      Höhenunterschied

      Größenabnahme

      Staffelung

      Überdeckung

    • 4.5 b) Perspektive

       

      Bedeutungsperspektive

       

      Parallelprojektion

      Die Parallelprojektion wird häufig im Mathematikunterricht genutzt, wenn z.B. eine geometrische Zeichnung eines Würfels erstellt werden soll. Alle Kanten sollen z.B. 2 cm lang sein. Man kann dann nicht im Sinne einer zentralperspektivischen Ansicht die in die Tiefe führenden Kanten verkürzt darstellen, das wäre ja falsch. Nach der sogenannten "Militärperspektive" bleiben alle Kanten des Würfels gleich lang. Bei anderen Arten der Parallelprojektion wird die in die Tiefe führende Länge z.B. auf die Hälfte gekürzt. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Perspektive#Isometrische_Axonometrie,_nach_DIN_5)

       

       

      Erfahrungsperspektive

       

       

      Zentralperspektive

      Anleitung:

      • Zeichne eine Horizontlinie

      • Setze einen zentralen Fluchtpunkt auf die Linie

      • Zeichne ein Rechteck

      • Ziehe von den Eckpunkten des Rechtecks Hilfslinien zum Fluchtpunkt

      • Wähle eine gewünschte Tiefe für den nun aus dem Rechteck entstehenden Quader und zeichne eine senkrechte Linie, die bis zu den Hilfslinien reicht

      • Zeichne nun die in die Tiefe führenden Linien von den Eckpunkten des Quaders zu der senkrechten Linie

      • Schraffiere die sichtbaren Flächen des Quaders

       

      Übereckperspektive

      Anleitung:

      • Zeichne die Horizontlinie und setze zwei Fluchtpunkte

      • Trage die Vorderkante des Quaders ein

      • Zeichne die nötigen Hilfslinien

      • Bestimme die Tiefe und Breite des Quaders durch senkrechte Linien

      • Zeichne die weiteren nötigen Hilfslinien

      • Verstärke nun die zum vollständigen Quader gehörenden Teile der Hilfslinien

       

       

      Frosch- und Vogelperspektive

      Betrachtet man Gegenstände aus einer anderen Position heraus, dann kann man von "Vogelperspektive" sprechen, falls der eigene Standpunkt deutlich erhöht ist. Man sieht die Welt von oben. Im Extremfall befindet man sich sogar senkrecht über den Gegenständen, wie z.B. bei einem Blick aus dem Flugzeug.

      Befindet man sich dagegen nahezu auf dem Boden, dann blickt man aus der "Froschperspektive" zu den Gegenständen hinauf. Dies erlebt man auch normal stehend, wenn man z.B. an einem Hochhaus hinauf blickt.

       

       

      Subjektive Perspektive

      Eine subjektive Perspektive bricht alle Regeln und zeigt verschiedene Ansichten gleichzeitig. Man spricht dabei auch von "multiperspektivisch". Es wird die Subjektivität des Künstlers betont, seine individuelle Sicht.

      Picasso hat z.B. oft eine Kopfdarstellung aus zwei Ansichten (Profil und Frontal) zusammengesetzt.

      Pablo Picasso: Porträt einer Frau (Dora Maar), 1938
      Öl auf Leinwand

      https://arthive.com/de/pablopicasso/works/196136~Portrait_of_a_woman_Dora_Maar

       

       

      Farb- und Luftperspektive

      Farbperspektive > Wie verstärkt die Farbwahl den räumlichen Eindruck? Die roten Blumen treten deutlich hervor, der blau gefärbte Hintergrund tritt zurück. Im Vergleich mit dem Schwarzweißfoto wird dies besonders deutlich.

      Luftperspektive > Da die Luft Schwebstoffe enthält, wird hiervon der Blick auf entfernte Gegenstände beeinflusst. Die Gegenstände werden blasser und weniger detailliert wahrgenommen. Im Vordergrund ist der Kontrast höher, man erkennt alle Details.

      Vincent van Gogh: Weizenfeld mit Zypressen, 1889
      Öl auf Leinwand, 73,5 x 91,5 cm

      https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vincent_van_Gogh_-_Wheat_Field_with_Cypresses_-_Google_Art_Project.jpg

    • 4.5 c) Betrachterstandpunkt

      Jedes z.B. zentralperspektivisch angelegte Bild definiert damit automatisch auch den Standpunkt des Betrachters. Man wird als Betrachter auf eine erhöhte Position gesetzt und überblickt die Situation oder wird auch direkt ins Meer gesetzt. Die Art des Blickwinkels und die konkrete Beschaffenheit des Standortes bewirken eine unmittelbare Empfindung von z.B. Sicherheit, Unwohlsein, Gefahr, Distanz oder Nähe

       

      Augenhöhe

      Die Horizontlinie definiert die Augenhöhe des Betrachters. Alle anderen Personen im Bild, deren Augen sich ebenfalls auf der Horizontlinie befinden, stehen auf der gemeinsamen Fläche. Abweichende Höhenlagen der Augen bedeuten dann eine erhöhte oder vertiefte Position in Relation zum Betrachter.

       

       

      Rückenfigur

      Im Bild von Caspar David Friedrich wird man als Betrachter sofort mit der dargestellten Person im Zentrum des Bildes konfrontiert. Da sie als Rückenansicht dargestellt ist, wird dies nicht als Konfrontation mit der Person empfunden, man "diskutiert" nicht mit dieser Person. Die Person richtet sich auf die Landschaft aus und man nimmt unwilkürlich ihre Position ein, man sieht die Landschaft ebenfalls, aber nun auch mit ihren Augen und ihren Empfindungen gegenüber der Landschaft. Hinzu kommt der konkrete Standpunkt der Person und seine Beschaffenheit: auf der Bergspitze, ohne Absicherung, uneben ...

      Da die Augen der Rückenfigur auf der Horizontlinie liegen, befindet man sich als Betrachter auf derselben Höhe. Es lässt sich aber keine konkrete Position erkennen, man könnte in der Luft schwebend die Situation betrachten oder sich auch eine ähnliche Erhebung als Standort vorstellen. Jedenfalls wird man einer etwas ungeklärten Postion zugewiesen, was entsprechend als eine Wirkung empfunden werden kann: distanziert, unsicher, schwebend ...

       

      Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer, ca. 1818
      Öl auf Leinwand, 94.8 x 74.8 cm

      https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Wanderer_über_dem_Nebelmeer

       

  • 4.6 Bildstruktur und Komposition

    • 4.6 a) Dominierende Richtungen

       

      Formataufteilendes Achsengerüst

      Innerhalb des Bildrechtecks ergeben sich die beiden Diagonalen (aufsteigende, fallende), die Mittelsenkrechte und Mittelwaagerechte. Diese unsichtbaren Linien werden beim Betrachten des Bildes unwillkürlich mitgesehen, die Lage der einzelnenen Bildelemente wird im Verhältnis zu diesen Linien und der Gesamtfläche wahrgenommen. Liegen sie auf den Linien, wird es als eher angenehm empfunden. Liegen sie dazwischen, entsteht ein unausgewogener Eindruck, der eher unangenehm wirkt.

       

      Caspar David Friedrich 013

      Caspar David Friedrich: Die Lebensstufen, ca. 1834
      Öl-Farbe auf Leinwand, 72,5 x 94 cm

       

      Richtungsbeziehungen

      Die Form einzelner Bildelemente kann eine Ausrichtung in eine Richtung darstellen. Bei Personen könnte es der ausgestreckte Arm, bei Gegenständen z.B. die Ausrichtung einer Lanze sein. Es können aber auch Blickrichtungen innerhalb des Bildes sein, z.B. Personen, die sich anblicken. Daraus ergeben sich zunächst einmal Wirkungen, die als Gefahr, Aggression, Zuneigung, Annäherung usw. beschrieben werden könnten. Natürlich wird dies auch in der abschließenden Interpretation eine Rolle spielen.

      Artemisia Gentileschi: Judith und Holofernes, ca. 1620
      Öl auf Leinwand, 199 x 162,5 cm

      https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Artemisia_Gentileschi_-_Giuditta_decapita_Oloferne_-_Google_Art_Project.jpg?uselang=de

    • 4.6 b) Ordnungsstrukturen

       

      Axialsymmetrie

      Die Spiegelung an einer Bildachse sorgt für einen symmetrischen und ausgewogenen Eindruck.

      Edvard Munch: Totentanz, 1915 
      Lithographie, 50,2 x 28,9 cm

      Reihung

      Eine Aufreihung von Bildobjekten nebeneinander zeigt ihre gleichmäßige Wertung. Sie werden zur Begutachtung nebeneinander präsentiert. Dies vermittelt oft eine ruhige Wirkung.

      Ballung

      Hierbei sammeln sich Bildobjekte zu einer Gruppe, die oft in der Bildmitte zu finden ist. Dies betont eine Abgrenzung von der Umgebung und gleichzeitig eine irgendwie geartete Gemeinsamkeit der Bildobjekte. Dies wirkt im Sinne einer Betonung oft etwas spannender als bei einer Reihung.

       

      Streuung

      Hier werden Bildgegenstände scheinbar beliebig auf der Bildfläche verteilt, ein Prinzip lässt sich nicht erkennen. Dies vermittelt einen zufälligen Eindruck, der auf eine Alltagssituation verweisen kann. Es wirkt oft beliebig, zufällig, chaotisch ...

       

    • 4.6 c) Kompositionsschemata

       

      Goldener Schnitt

      Abgeleitet von Proportionen in der Natur werden hier Verhältnisse von Bildteilen zueinander bestimmt. Dies kann sich auf Größenverhältnisse von Bildgegenständen zueinander beziehen, hier wird aber die Aufteilung der Bildfläche betrachtet. Eine vereinfachte Relation der Teile zueinander lässt sich mit 2 zu 3 beschreiben. Das DIN A4 Papier entspricht ungefähr diesem Verhältnis. Da wir diese Proportionen sehr häufig - unbewusst - sehen, wirken sie auf uns normal bzw. "schön". 

       

      Dreieckskomposition

      Steht ein Dreieck auf einer Längsseite, steht es stabil. Auf einer Spitze kann es nicht stehen, es würde kippen und wirkt insofern instabil. Dies lässt sich in der Aufteilung der Bildfläche und der Anordnung von Bildgegenständen nutzen. 

       

      Diagonalkomposition

      Die Diagonalen im Bildrechteck werden als eher positiv (aufsteigend, von links unten nach rechts oben) oder negativ (absteigend, von links oben nach rechts unten) wahrgenommen. Dies hängt von der Leserichtung ab und könnte in anderen Kulturen anders wahrgenommen werden. Ein Vergleich mit den Aktienkursen könnte dies aber bestätigen. Auf jeden Fall bewirkt diese Komposition eine dramatische und dynamische Wahrnehmung.

       

      Kreiskomposition

      Hier werden die Bildgegenstände in einer Kreisform angeordnet, was zu einer teils dynamischen evtl. aber auch zu einer in sich abgeschlossenen Situation führen kann.

       

      Ovalkomposition

      Dies ist eine änliche Komposition mit ähnlicher Wirkung.

       

      Orthogonalkomposition

      Wenn sich die Bildgegenstände an der Mittelsenkrechten orientieren, dann wird so eine Betonung gesetzt, die eher nach oben verweist. Je nach Ausformung könnte auch eine instabile oder eine symmetrische Situation geschaffen werden.

       

      Spiralkomposition

      In Form einer Spirale werden hier die Bildobjekte angeordnet. Dies vermittelt eine starke Dynamik und Dramatik. Das Zentrum der Spirale wird betont.

       

      "all over"

      Verlässt man das Bildkonzept, das von einem "Fenster in die Welt" ausgeht, also etwas Sichtbares mit Hilfe der Perspektive darstellt, dann bleibt immer noch ein Oben und Unten im Bild als Lagebezeichnung übrig, was im Sinne einer abstrakten Landschaft oder auch ohne gegenständlichen Bezug als rein konkretes Bild aufgefasst wird. Dies resultiert wahrscheinlich aus dem Malprozess auf dem Bildträger, der an der Wand hängt oder auf der Staffelei steht, also senkrecht vor dem Künstler.

      Jackson Pollock hat seinen Bildträger auf den Boden gelegt und so eine ganz andere Herangehensweise genutzt, die ohne gegenständliche oder perspektivische Bezüge auskommt und auch das Oben und Unten vermeidet. In dem unten aufrufbaren Video wird er bei der Arbeit gezeigt. 

      "Das All-over-Painting (englisch all over: über alles hinweg) (auch All-over-Malerei, Allover-Malerei, All-over-Prinzip) ist (zumeist bei modernen Gemälden) eine flächendeckende Malerei ohne dominante Punkte, ohne Hauptmotiv, ohne räumliche Wirkung und ohne Hinweis, wo oben oder unten ist. Die Komposition lässt sich über den Rahmen bzw. Rand hinaus fortsetzen."

      https://de.wikipedia.org/wiki/All-over-Painting

    • 4.6 d) Proportion

       

      Bildformat

      Der Bildträger (Leinwand, Papier, Holz ...) besitzt eine bestimmte Form, meistens rechteckig. Diese Form besitzt schon eine Basiswirkung. So werden Querformate eher mit dem horizontalen Drehen des Kopfes beim Betrachten einer Landschaft verbunden. Die Form unseres Kopfes bzw. die Lage der Augen ermöglicht uns bereits einen horizontalen Blickwinkel von ca. 170 Grad. Bei starrem Blick nach vorn sehen wir schemenhaft z.B. eine Hand sehr früh, die sich von hinten am Kopf vorbei nach vorne bewegt. Der vertikale Blickwinkel ist dagegen deutlich eingeschränkter, die Augen liegen tiefer im Kopf, sodass die Stirn den Blick nach oben einschränkt.

      Das Quadrat besitzt eine eher ausgewogene, ruhige Basiswirkung.

      Der Kreis und ein Oval fallen durch ihre seltene Form auf.

      Das Hochformat wirkt besonders bei schmalen Varianten eher instabil und somit auffällig und etwas dynamisch. Dies resultiert auch aus der nötigen Blick- und Kopfbewegung beim Betrachten (s.o.).

      Seitenverhältnisse

      Ein "ausgewogenes Seitenverhältnis" kennen wir als 3:2 Proportion vom DIN A4 Blatt (20 x 29,7 cm), vom klassischen Kleinbildformat der Fotografie oder beim Film (24 x 36 mm). Das 16:9 bzw. 4:3 Format ist über die TV-Monitore und die Smartphone-Kameras mit ihre Videofunktion verbreitet. Beide Formate sind für uns gewohnt und werden so auch als normal, vielleicht auch schön, wahrgenommen. Sie entsprechen aber nur annähernd dem Goldenen Schnitt (1:1,618). DIN A4 müsste auf 18,35 x 29,7 cm und 4:3 auf 4:2,47 gekürzt werden. (Ohne mit dem Taschenrechner die Proportionen zu berechnen, lässt sich im Alltag der Goldene Schnitt mit dem Verhältnis von ca. 3:2 "definieren". Das ist zwar falsch, aber hilfreich.)

      Der Goldene Schnitt

      Der Goldene Schnitt ist eine besondere Art, Dinge aufzuteilen oder zu gestalten, die als besonders angenehm oder ästhetisch empfunden wird. Man teilt etwas in zwei Teile so, dass das Verhältnis des Ganzen zum größeren Teil dasselbe ist wie das Verhältnis des größeren Teils zum kleineren Teil. Es ist eine Art, die als harmonisch oder schön betrachtet wird und oft in Kunst, Architektur und Natur vorkommt. Es wird manchmal durch das Verhältnis 1:1,618 dargestellt. Es ist ein Prinzip, das seit vielen Jahrhunderten in der Kunst und im Design verwendet wird, um visuelle Harmonie zu schaffen.

      In vielen Bildern finden sich Proportionen von Bildinhalt zum Rand, die dem Gldenen Schnitt nahekommen (Faustregel: 1/3 zu 2/3). Dies kann in der Planung des Bildes so konzeptioniert worden zu sein, es kann aber auch unterbewusst im Malprozess so bestimmt worden sein. Wir sehen es aber schließlich im fertigen Bild und reagieren zumindest unbewusst darauf.

       

      Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/21/Caspar_David_Friedrich_-_Der_M%C3%B6nch_am_Meer_-_Google_Art_Project.jpg

       

  • Naturalismuskriterien

    • naturalismuskriterien_1.png
    • In dieser PDF-Datei wird abschließend ein Illusionsgrad zwischen 0 und 100 Prozent vergeben, was anhand der jeweiligen Spalte von Schüler*innen selbst ermittelt wird. Es gibt dafür keine objektiven Kriterien, es ist ein subjektiv ermittelter Wert. Er soll - im Vergleich mit Werten anderer Schüler*innen - die Abweichung von einer perfekten naturalistischen Darstellung zusammenfassen.

  • Klausur-Hinweis

    • In der Klausur zu einer Bildanalyse wird in der Regel eine dreiteilige Aufgabe zu bearbeiten sein:

      1. Beschreibung
        Zur reinen Beschreibung des Bildinhalts gehören auch die Daten zum Bild und die technischen Angaben, evtl. auch sein Ort (besonders wichtig bei öffentlichen Plastiken). Man könnte z.B. folgendermaßen starten:
        "In dem Bild von Monet wird eine Landschaft mit einer Person dargestellt, es wurde 1878 mit Ölfarbe auf Leinwand gemalt und ist 68 x 79 cm groß."
        Der erste, subjektive Eindruck vom Bild muss hier genannt werden. Er kann nicht als falsch oder richtig gewertet werden, er ist subjektiv! Falsch wäre er, wenn er hier fehlen würde.
        "Das Bild wirkt auf mich warm, heiter, lebendig und fließend."
        Die einzelnen Bildgegenstände werden mit ihren speziellen Eigenschaften aufgeführt (abgenutzte Alltagskleidung, Vase aus wertvollem Material ...).
        Eine Interpretation gehört hier nicht hin!

        Es empfiehlt sich keinen fortlaufenden Text zu schreiben, sondern sich zur Gliederung an die 3 Aufgaben zu halten. Dies schafft eine Fokussierung auf z.B. die Analyse und verhindert das Vorziehen einer Interpretation. - Es ist keine Deutsch-Klausur!

      2. Analyse
        Hier sollten sich in der Aufgabenstellung konkrete Aspekte finden, die dann intensiver ausgearbeitet werden. Aber auch die anderen Analysepunkte sollten eingebracht werden.
        Die jeweilige Wirkung der analysierten bildnerischen Mittel ist besonders wichtig zu formulieren.

      3. Interpretation
        Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse und die Wirkung zusammengefasst, aber auch noch einmal beispielhaft aufgegriffen. Dann stellt sich die Frage, weshalb das Bild gerade so und nicht anders gemalt wurde. Was wurde also betont, was war dem Maler oder der Malerin besonders wichtig, was wurde vernachlässigt? Hier könnten Bezüge zur Epoche oder Biographie eingebunden, Hintergrungwissen aus dem Unterricht verknüpft werden. Der zu Beginn formulierte erste Eindruck wäre zu prüfen: Hat sich durch die Analyse ein "anderes Bild" ergeben?